Sonntag, 9. Oktober 2011

Klopfen

Es klopft an der Tür. Da er niemanden erwartet, zögert er. Wieder und wieder klopft es. Er geht nicht zur Tür, rührt sich nicht. Es gibt ihn nicht.

All die Jahre hat niemand etwas von ihm gewollt. Das hat ihm nichts ausgemacht. Er hat gut gelebt. Gegessen und geschlafen, und abends aus dem Fenster geschaut. Das Schnarchen des Nachbarn kennt er ebenso gut wie das Stöhnen der Nachbarin bei ihren Spielen mit wechselnden Partnern. Der Musiker über ihm spielt regelmäßig dieselben Partituren, und der Choleriker unter ihm wird mehrmals die Woche laut.

Sie haben ihn einfach vergessen. Auch das hat seine Vorteile.

Aber er hat immer geahnt, dass es so kommen würde. Ein Klopfen reißt ihn einmal aus seinem entspannten Leben, um ihn gierig hineinzusaugen in den Schlund der Welt. Wie in einem schlechten Traum.

Und nun klopft es. Er zögert. Zögert lange.Mit geschlossenen Augen, den Atem angehalten, öffnet er die Tür. Als er endlich die Augen öffnet, steht dort niemand.

4 Kommentare:

herbst.zeitlosen hat gesagt…

ganz zufrieden war er wohl nicht, so entspannt es auch war. aktives eingebundensein ins leben hat doch eine andere qualität. es fordert, und ein leben ganz ohne herausforderungen wird mit der zeit schlicht und einfach langweilig.
hoffen wir, dass sein traum wahr wird.
ich grüße dich
monika

Anonym hat gesagt…

wunderbar, das könnte ein Roman werden!... Ich habe auch an den Steppenwolf gedacht, wieder wurde ich an ihn erinnert, d.h. wohl, dass es Zeit wird, Hesses Buch auszugraben und wieder einmal zu studieren...Ja, und manchmal wird man durch irgendeine Begebenheit aufgerüttelt und deutlich darauf hingewiesen, seinem Leben eine andere Richtung zu geben...!
Dir schöne Grüsse, Bernd!
Renée

Bernd Balder hat gesagt…

Ich danke dir, Monika. Gewiss war er nicht zufrieden ... ;-)

LG
Bernd

Bernd Balder hat gesagt…

Liebe Renée,

danke auch dir. Ach ja, Hesse! Mein Autor, als ich 20 Jahre alt war. Was habe ich seine Bücher geliebt und verschlungen ... Besonders mochte ich Demian.

Du hast Recht, sollte man mal wieder hervorholen, den Steppenwolf. Vom Siddharta war ich das letzte Mal allerdings ein wenig enttäuscht.

LG und eine schöne Woche,
Bernd