09.10.2012 22:16,
Davao (Philippinen) am Tag vor der Abreise
Alles geht langsamer
voran. Vielleicht macht das die Hitze in diesem Land. Es gibt hundert Gründe
dafür, und ein Filipino kann dir bei Tanduay- Rum auf Eis sogar tausend Gründe
nennen.
Doch wenn du hier
ankommst und noch das Tempo von zuhause im Blut hast, dann schwitzt du
innerhalb eines Tages ein gutes halbes Dutzend T-Shirts durch. Alles braucht
seine Zeit, und nur ganz allmählich lernst du, dich auf das Land, die Leute und
den anderen Takt einzulassen. Anfangs ist dir dieses Tempo unheimlich. Du
rümpfst darüber deine deutsche Nase. Aber wenn du Glück hast und lange genug hier sein kannst,
dann kommt irgendwann die Einsicht: du musst zurückschalten, dich langsamer
bewegen, dich weniger aufregen und besonders in Geduld üben. Alles andere
schadet nur dem Blutdruck, der hier in der Gewöhnungsphase schon arg genug
strapaziert wird.
Kauf dir ein Paar
Sinelas (= billige Schlappen) auf dem Palengke ( traditioneller philippinischer
Markt, der vor allem von Einheimischen besucht wird und einen eigenen Bericht
wert ist) und lerne damit zu schlurfen wie die Filipinos und Filipinas. Dann näherst
du dich dem angemessenen Tempo allmählich an.
Plötzlich beginnst
du, das Land zu fühlen, dich hier aufzulösen. Keine Angst davor, bald erkennst
du, wie frei du atmen kannst. Gedanken und Sorgen werden ihre Kraft verlieren.
Sie lösen sich sogar irgendwann auf in diesem exotischen Nichts.
Und du schwitzt nur
noch drei bis vier T-Shirts pro Tag
durch.
tage gleiten hin
wie die auslegerboote
8 Kommentare:
Lieber Bernd,
du hast mich sehr gut in dieses Land eingeführt. Das oft wiederholte "du" bedeutet auch "ich" oder allgemeingültig "man". Diese Aussageweise weist dich als Schriftsteller aus.
Hut ab! Wann schreibst du deinen ersten Roman?
Herzlich
Rudi
Lieber Rudi,
es freut mich ganz besonders, deinen Kommentar hier zu lesen. Immerhin bist du in meinen Augen ein besonderer Kenner des Haibun, das ich hier versuchst habe. Da freut mich ein Lob natürlich ganz besonders.
Roman? Es mag und wird wohl auch vermessen sein, aber ich plane so etwas tatsächlich. Ob daraus etwas wird, das sehen wir später mal. ;-)
LG
Bernd
Geglückt dein Haibun!
Sehr anschaulich die Beschreibung der Anpassungsversuche. Letztlich bleiben es ja Versuche, nicht wahr?!
Gern gelesen!
..grüßt dich Monika
Lb. Monika,
danke dir für deinen Kommentar. Ja, es bleiben Versuche, aber es bleibt doch immer etwas zurück. Und man nimmt etwas mit. ;-)
LG
Bernd
ein interessanter bericht, eine wunderbare einsicht und wohl muss man offen und frei sein für diese andere welt, um sich so schnell dort einfühlen und einleben zu können.
dein gedicht ist wunderbar. es strahlt eine stille zufriedenheit aus und vermittelt ein bild wie ein schönes gemälde.
ich wünsche dir ein schönes restliches wochenende, lieber bernd!
renée
Lieber Bernd,
es weckt so sehr das Fernweh nach Asien, erinnert mich an unvergessliche Thailandreisen und die nie nachlassenden Wunsch nach einem neuerlichen Anpassungsversuch.
von Haibuns verstehe ich absolut nichts, aber dein Post, entführt und verzaubert völlig.
ganz liebe Grüße
isabella
Liebe renée,
es freut mich besonders, dass du mein Gedicht heraushebst. Es soll das Resümee sein. So habe ich den Aufenthalt dort erlebt. Ich erlebe ihn eigentlich immer so und deshalb freue ich mich auch schon auf das nächste Mal. Es geht auch anders als nur "schnell, schnell" wie bei uns.
LG
Bernd
Lb. Isabella,
es freut mich besonders, dass du dich an Thailand erinnert fühlst. Zwischen Thailand, dass ich auch schon besucht habe, und den Philippinen gibt es noch große Unterschiede, die sich allerdings nach meiner Meinung in der nächsten Zeit verringern werden. Thailand ist schon voran, die Philippinen sind auf dem Sprung ...
Es gibt viel zu lernen, wenn man einmal fernab ist von Gewohnheit und Heimat. Man muss es nur zulassen. ;-)
LG
Bernd
p.s. Ein wenig Heimat sind mir die Philippinen inzwischen geworden. Warten wir mal ab, wie es weitergeht ... ;-)
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